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Kulturphänomene

Das Cancel-Culture-Phänomen

Es gibt im Zusammenhang mit dem Thema Kultur eine Reihe von Begriffen, die mit der Zeit an Relevanz gewinnen, da sie gesellschaftliche Phänomene beschreiben, die alarmierende Züge annehmen – und die sogenannte Cancel Culture ist ein solcher. Der Begriff Cancel Culture lässt sich in etwa als Abbruchkultur übersetzen. Das Wort Cancel steht für Abbruch, Stornierung, Annullierung und Beendigung. Mit dem Zusatz Culture ist gemeint, dass es sich um eine kollektiv ausgeübte Angewohnheit und Marotte handelt. Bei der Cancel Culture geht es im Prinzip um die Entsozialisierung einer oder mehrerer Personen, die vom allgemeinen Konsens abweichen. Meist findet diese als Reaktion auf öffentliche Aktionen oder geäußerte Meinungen statt. Das Ganze läuft wie eine Art Dominoeffekt ab. Eigentlich ist Cancel Culture keine wirklich neue Sache, denn soziales Mobbing ist so alt wie die Menschheit. Allerdings nimmt die Sache in Zeiten des Internets und der sozialen Medien extreme Züge an.

Konkret entwickelt sich eine Cancel-Culture-Welle von einer Einzel-Reaktion ausgehend wie eine Art Schneeball-Effekt hin zu einer riesigen unaufhaltsamen Lawine. Es kann beispielsweise mit einem Kommentar unter einem Tweet auf Twitter oder einer Nachricht auf Facebook beginnen. Manchmal schließen sich andere, die eine entgegengesetzte Meinung haben, an, und das Ganze nimmt seinen Lauf. Es gibt auch Menschen, die sich zu Gruppen zusammenschließen und in ihrer Reaktion zu einem öffentlichen Boykott aufrufen. Dabei wird teilweise mit harten Bandagen gekämpft, um die Opfer der Cancel Culture ihrer Macht zu entledigen. Zum Beispiel werden sie durch Falschmeldungen von Internetplattformen ausgeschlossen, obwohl sie sich nachweislich an die Grundgesetze gehalten haben und eigentlich nur ihr staatlich verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt haben. Oft nutzen die Gegner die Gelegenheit, um sich selbst in den Vordergrund zu stellen und ins Rampenlicht zu gelangen. Ebenso wird dabei häufig der Disput von der sachlichen Ebene auf die persönliche gebracht. Eine faktenbasierte Diskussion ist dann kaum noch möglich.

Es wird versucht, ein Thema aus der Welt zu schaffen, in dem man den oder die potenziellen Überbringer der Botschaft auf der sozialen Ebene auslöscht. Der abschreckende Effekt auf Unbeteiligte ist nicht minder verheerend. Denn da der Ruf der angegriffenen Personen beschädigt wurde, werden diese es in Zukunft schwer haben. Geschieht dies beispielsweise mit Politikern, Künstlern oder Prominenten, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese die Konsequenzen am eigenen Leib erfahren müssen. Politiker werden aus ihren eigenen Parteien ausgeschlossen. Künstler verlieren Möglichkeiten zu öffentlichen Auftritten, weil Produzenten und Veranstalter aus Angst, selbst „geopfert“ zu werden, eher davon absehen, sie einzuladen. Eine fatale Seite der Cancel Culture ist, dass sie die gesamte Gesellschaft polarisiert und in zwei Lager teilt. Die automatische soziale Zensur unterzieht sämtliche Opfer einer unerbittlichen Dusche der politischen Korrektheit. Die Meinungsfreiheit bleibt dabei auf der Strecke und die sozialen Medien fungieren dabei als öffentliche digitale Pranger und Werkzeuge der sozialen Zensur.

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